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Peter Gerwinski – Artikel

Benzinsparen und Freie Software

14.4.2004

Heute habe ich einen neuen persönlichen Rekord aufgestellt: Nur ca. 2,4 Liter Diesel pro 100km hat unser Audi A2 verbraucht – auf einer Strecke von ca. 150km mit etwas Stadtverkehr, etwas Landstraße und viel Autobahn bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von ca. 90 km/h.

Der Motor, der so etwas möglich macht, hat 1191 cm³ Hubraum und 45 KW Leistung bei 4000 U/min und kommt außer im Audi A2 auch im VW Lupo zum Einsatz. Aufgrund seiner Aluminiumkarosserie wiegt der Audi A2 nur 855 kg und hat daher ebenso niedrige Verbrauchswerte wie der deutlich kleinere VW Lupo. Laut Hersteller sind es 3,6–3,8 l/100km im Stadtverkehr, 2,7–2,8 l/100km außerstädtisch, 3,0–3,2 l/100km insgesamt nach 93/116/EG.

Zur Senkung des Verbrauchs hat der Audi A2 einen Energiesparmodus, der standardmäßig eingeschaltet ist und folgendes bewirkt:

In diesem Energiesparmodus verbraucht der Audi A2 real ca. 3,5–4,0 l/100km.

Natürlich kann man den Energiesparmodus auch ausschalten. In dem dann aktiven Sport-Modus sind Reisegeschwindigkeiten von 160–180 km/h, unter günstigen Bedingungen auch über 200 km/h möglich. Der Durchschnittsverbrauch ist dann natürlich höher, aber mit ca. 5,0 l/100km immer noch erstaunlich niedrig.

Aber wie komme ich auf 2,4 l/100km?

Energiesparmodus ausschalten

Das erste, was ich auf meiner heutigen Rekordfahrt getan habe, war, den Energiesparmodus auszuschalten.

In diesem „Sport-Modus“ bin ich dann bewußt gemütlich die Landstraße entlanggetuckert – vorausschauend, um möglichst wenig Bremsen zu müssen.

Immer wenn kein Gas benötigt wurde – zum Beispiel, wenn es bergab ging –, nahm ich den Fuß vom Gas und kuppelte aus, indem ich den Wählhebel des Automatikgetriebes von „D“ auf „N“ stellte.

Auf der freien Autobahn orientierte ich mich ganz am Verbrauch und erreichte damit Geschwindigkeiten zwischen 100 und 130 km/h.

Zwischendurch geriet ich in einen Stau. Hier und später im Stadtverkehr schaltete ich immer dann, wenn ein längerer Stillstand zu erwarten war, den Energiesparmodus ein und damit den Motor aus. Sobald der Motor aus war, schaltete ich sofort zurück in den Sport-Modus, so daß der Wagen beim Loslassen der Bremse mit voller Motorkraft anfuhr.

Durch diese Maßnahmen konnte ich den Durchschnittsverbrauch auf erstaunliche 2,4 l/100km drücken –, und das Fahrerlebnis bei dem eigentlich durch und durch automatisierten Audi A2 wurde zu dem eines Schaltwagens mit einer etwas merkwürdigen Gangschaltung.

Während der Fahrt kamen mir folgende Fragen in den Sinn:

  1. Wie kommt es, daß sich der Verbrauch im Sport-Modus deutlich unter den des Energiesparmodus drücken läßt?
  2. Müßte es nicht eigentlich möglich sein, den Energiesparmodus so zu verbessern, daß er von sich aus 2,4 l/100km realisiert?

Was Frage 1 betrifft, vermute ich, daß der Motor von seinen Erbauern für 45 KW Leistung optimiert wurde. Die künstliche Drosselung auf 35 KW bewirkt zwar vordergründig einen niedrigeren Verbrauch, insgesamt aber eine schlechtere Umsetzung des verbrauchten Kraftstoffs in Bewegungsenergie. Um die Geschwindigkeit am Berg halten zu können, muß ich im Energiesparmodus mehr Gas geben als im Sport-Modus. Bei vorsichtigem Gebrauch des Gaspedals erreiche ich dadurch im Sport-Modus niedrigere Verbrauchswerte als im Energiesparmodus. (Bei Bleifuß-Fahrweise ist es natürlich umgekehrt.)

Eine Frage der Software

Bei Frage 2 geht es um die Software im Bordcomputer des Audi A2: Was genau wird beim Energiesparmodus ein- bzw. ausgeschaltet?

Angenommen, es wäre möglich, dies selbst einzustellen. Dann würde ich folgenden Modus programmieren:

Sport-
Modus
Energiespar-
modus
mein
Vorschlag
Motor: 35 statt 45 KW aus ein aus
Höchstgeschwindigkeit 160 km/h aus ein aus
frühzeitig hochschalten aus ein ein
Gas weg: auskuppeln aus ein ein
Stillstand: Motor ausschalten aus ein ein

In diesem fiktiven selbst programmierten Modus hätte die Automatik des Audi A2 sämtliche Schaltvorgänge meiner heutigen 2,4-Liter-Fahrt selbständig ausgeführt. Außerdem könnte ich den Modus einfach beibehalten, wenn ich dann doch einmal schneller fahren möchte.

Nun bin ich selbst ein erfahrener Programmierer und traue mir zu, die entsprechenden Einstellungen an der Software selbst vorzunehmen. Ich kann auch beurteilen, daß dies möglich ist, ohne die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs zu gefährden.

Leider komme ich an die Software nicht heran: Im Gegensatz zur Motorhaube, die jeder aufklappen kann, ist die Software „fest eingeschweißt“. Das, was ich bräuchte, um die Änderungen vornehmen zu können, ist der sogenannte Quelltext, und den hält der Hersteller unter Verschluß.

Kann man die Motorhaube öffnen?

Dies ist bei einem Großteil der heutzutage angebotenen Software der Fall, aber es gibt Ausnahmen: Freie Software, oft auch Open-Source-Software genannt. „Open Source“ heißt „quelloffen“ und bedeutet, daß man als Kunde Zugriff auf den Quelltext bekommt. „Freie Software“ steht u.a. für die Freiheit, die Software an eigene Bedürfnisse anzupassen – gerade so, wie man sein Auto selbst tunen kann, ohne auf den Hersteller angewiesen zu sein. Und wer es nicht selbst machen kann oder will, geht zum Fachmann – zum Beispiel zu mir für die Software oder zur nächsten Autowerkstatt für die Hardware.

Ich höre oft, daß Freie Software vielleicht ihren Platz auf dem Server-Sektor oder bei Büroanwendungen hätte, aber z.B. nicht, wenn es um die Steuer-Software eines PKW ginge. Das sehe ich anders, und ich hoffe, mit diesem Beispiel gezeigt zu haben, wieso.

Übrigens hieß es bei unserem Audi A2 zuerst, daß sich die Motorhaube nur mit Spezialwerkzeug durch Vertragswerkstätten und den ADAC öffnen ließe. Erst nachdem ich unmißverständlich klargestellt hatte, daß meine Kaufentscheidung davon abhing, ob ich die Motorhaube selbst öffnen könne, zeigte man mir, welche zwei Flügelschrauben ich dafür lösen mußte. Anscheinend geht es also doch.

Update: Inzwischen steht mein persönlicher Rekord bei 2,2 Litern Diesel pro 100km.

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